Was%20tut%20ein%20Fotograf

Die Antwort auf diese Frage fällt ganz unterschiedlich aus, je nachdem, wem man sie stellt.
Laien vergleichen das Hantieren mit einer Kamera mit ihrem eigenen Tun, wenn sie die ein oder andere Urlaubssituation mit ihrem Handy festhalten.
Für sie ist das Fotografieren also nur das Drücken eines Knöpfchens. Das man statt der ausschließlichen Nutzung des vorhandenen Umgebungslichts auch gezielt mit künstlichen Lichtquellen arbeiten kann, ist selbst für viele Fotografen dunkle Magie, für Laien also erstrecht nichts, was sie zu den Tätigkeiten eines Fotografen hinzurechnen würden. Von den sich bietenden gestalterischen Möglichkeiten, sollte man die Programmautomatik der Kamera bewusst ausschalten, muss man da ohnehin nicht anfangen.
Fragt man Models, so bekommt man einen bunten Strauss von Antworten:

"Ein Fotograf fummelt dauernd an der Technik rum und lässt mich hier frieren!"
"Ein Fotograf nervt mich mit anzüglichen Bemerkungen und versucht ständig, mich zum Ausziehen zu überreden!"
"Ein Fotograf macht einen auf Chef und behandelt mich wie ein Dummchen!"
"Ein Fotograf will dies und jenes von mir, hat aber keine Ahnung warum!"

Stellt man die Frage dem Fotografen selbst, so hört man sehr oft, dass er oder sie ja ein Künstler wäre, der zur Schaffung seiner Kunst dem Model ganz genau vorgeben muss, wie sie stehen, welche Haltung und welchen Ausdruck sie zeigen soll. Und selbstverständlich kann er das auch viel besser als Kollege xy, weshalb der ja auch nur knipst und kein Künstler ist.

In all diesen Antworten steckt bestimmt eine ganze Menge Wahrheit, sie sind aber auch Pauschalierungen und damit sicher nicht allgemeingültig. So werden Models, die vereinzelt mal negative Erfahrungen gemacht haben, diese sehr leicht auf alle projezieren. Vergessen wird dabei aber, dass nicht nur jedes Model ein Individium ist, auch hat jeder Fotograf seinen eigenen Stil, seine ureigensten Umgangsformen.
Die Frage, was ein Fotograf so tut, wurde mir letztens - unvorbereitet - unter vier Augen gestellt und ich fürchte, dass meine Antwort für den Frager nicht sehr erschöpfend war, bezogen sich meine Ausführungen doch auf alles Mögliche, nur nicht auf's Fotografieren.
Deshalb hier noch einmal der Versuch, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und das nicht in allgemeiner Form, sondern ganz persönlich für mein Tun.
Hierzu muss man zunächst wissen, dass ich mit der Fotografie keinen finanziellen Gewinn erwirtschafte, sondern sie ausschließlich als Hobby betreibe. Und ich halte mich nicht für einen Künstler, sondern eher für einen Handwerker, der sein erlerntes Wissen dafür einsetzt, von und mit Menschen, möglichst schöne Bilder von ihnen zu erstellen. Daraus folgt unmittelbar, dass es mir sehr wichtig ist, dass sich der Mensch vor der Kamera, mit seiner eigenen Persönlichkeit in ein Shooting einbringt. Das Posing, die Mimik soll vom Model selbst kommen und nicht von mir haarklein vorgegeben werden. Andernfalls könnte ich auch gleich mit Schaufensterpuppen shooten, was sehr viel einfacher wäre.
Tatsächlich ist ein Shooting aber nur ein verschwindend geringer Teil der Gesamtarbeit eines Fotografen und ohne den großen Rest würde es nie zu einem kommen. Denn bevor man Menschen fotografieren kann, muss man sie natürlich zunächst mal von einer Zusammenarbeit überzeugen. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass ein Hobbyfotograf nicht Anfragen im Dutzend bekommt, ist doch meistens gar nicht bekannt, dass es ihn überhaupt gibt. Man muss also sich und sein Tun zunächst mal bekannt machen. Das fängt damit an, dass man sich ein umfangreiches Portfolio aufbauen muss. Also jede Menge Beispielbilder, die mögliche Interessenten davon überzeugen, mit einem arbeiten zu wollen. Man muss sich einen Ruf aufbauen, denn für die Personenfotografie braucht's jede Menge Vertrauen und kein Mädchen/Frau möchte sich von jemandem fotografieren lassen, bei dem sie ein ungutes Gefühl hat.
Heutzutage kann man versuchen, über das Internet im Allgemeinen dafür zu sorgen, dass potentielle Interessenten auf einen aufmerksam werden. So betreibe ich eine eigene Homepage, bin mit Profilen in Modelportalen vertreten und natürlich habe ich diese Seite hier in Facebook. Es gibt noch zahlreiche weitere Kanäle, die man nutzen könnte wie z.B. Instagram, Flickr oder whatever. Jede Präsenz ist aber mit einem unglaublichen Aufwand verbunden und man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. In die Homepage und die Seite hier geht jeden Tag soviel Arbeit rein, dass mehr einfach nicht machbar ist. Gerade hier für Facebook wände ich sehr viel Zeit auf. Das Hochladen eines Fotos ist natürlich schnell erledigt, Textbeiträge wollen aber zunächst mal geschrieben werden, man muss sich in entsprechenden Gruppen über die Szene informieren, muss Nachrichten beantworten und natürlich möchte man sich auch selbst nach Kandidaten umschauen, die man mal vor der Kamera haben möchte.
Das alles ist nicht in fünf Minuten erledigt, bildet also schon einen Großteil meiner täglichen Arbeit. Dazu kommen dann weitere vorbereitende Dinge, denn man muss Ideen für Shootings entwickeln, muss sich nach Locations, nach Outfits und Accessoires umschauen. Man muss den Markt der Kameras und des Zubehörs im Auge behalten und man muss das eigene Equipement in tadellosem Zustand halten. Für das ein oder andere Vorhaben (auch wenn es mangels Models nie zu einer Umsetzung kommt) braucht man technischen Input von Kollegen (Youtube), die sich an genau diesem Thema schonmal versucht haben.
Das alles ist nur das Drumherum ohne überhaupt mal eine Kamera in die Hand zu nehmen und auch wenn viele Kollegen es bestimmt ganz anders machen, weniger oder evtl. sogar noch mehr Zeit investieren, so sind das bei mir schon bestimmt 2h/Tag bei 24/7. Es ist natürlich nicht immer ganz leicht, den Fotografie-Job von privaten Dingen zu trennen, viel weniger Zeit dürfte es aber nicht sein.
Hin und wieder zahlt sich das Alles aus und es meldet sich jemand, der Fotos mit mir machen möchte. Dann muss geklärt werden, wie und was geshooted, wo das geschehen soll und es muss ein Termin gefunden werden. Ist es dann mal soweit, beginnt der eigentliche Arbeitstag eines Fotografen. Ich muss das für das gewünschte Shooting notwendige Equipement zusammenstellen, muss den Krempel in's Auto verladen und zum Treffpunkt, bzw. der Location fahren. Dort wird dann zunächst mal das Set aufgebaut. Stative und Lichtformer zusammen gebracht, Blitze installiert, Funkverbindungen getestet usw. Je nach Thema, Anzahl der Modeloutfits, Vielseitigkeit der Location und nicht zuletzt der Modelmotivation werden dann 2-3 Stunden lang Fotos gemacht, es wird alles wieder zusammen gepackt, das Model wieder wohlbehalten abgesetzt und dann geht's wieder to Hus. Inhalt des Kofferraums wieder reintragen, Akkus aus Kameras, Blitzen und Funkgeräten entnehmen und auf die Ladegeräte verteilen, Speicherkarte aus der Cam in den Kartenleser und alle gemachten Fotos auf den Rechner übertragen. Waren eigene Outfits im Einsatz, diese der Waschmaschine übergeben, damit sich das nächste Model nicht über das Parfum ihrer Vorgängerin beschweren kann.
Während eines Shootings entstehen so etwa 150-200 Fotos. Aus diesem Pool werden diejenigen ausgesucht, die noch nachbearbeitet werden sollen. Deren Anzahl ist nie fix und variiert von Shooting zu Shooting, von Model zu Model. Pro Foto kann man eine Bearbeitungszeit von 10-30 Minuten ansetzen, so dass nach weiteren 3-4 Stunden (incl. Versand der Fotos und Aktualisierung der Homepage) der Arbeitstag dann vorbei ist.


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