Beruf%20vs.%20Hobby

In entsprechenden Facebook-Gruppen mit dem Thema Fotografie, aber auch in Fotografie-Foren gibt es immer wieder mal eine neu aufflammende Diskussion über das Thema Berufsfotografen gegen Hobbyknipser. Speziell von den Profis wird dort immer wieder unterstellt, dass Hobbyfotografen mit ihren kostenlosen TfP-Shootings den Markt kaputt machen und den Berufsfotografen dadurch jede Menge Geschäft verloren geht. Neben dieser mglw. begründeten These wird dann auch nicht selten noch polemisch draufgehauen, dass "so'n Amateur" ja keine Ahnung von "richtiger" Fotografie hat. Gekontert wird von den Hobbyisten, dass viele Profis immer noch wie vor 30 Jahren fotografieren, Passbilder noch einigermassen hinbekommen, ansonsten ihren Kunden aber nur das Geld aus der Tasche ziehen.
Ich arbeite jetzt seit knapp zehn Jahren im Bereich der Peoplefotografie und habe dabei mehr als 400 Mädchen und Frauen fotografiert. In den allermeisten Fällen lief das Shooting dabei tatsächlich auf Basis TfP, also kostenlos für das Model. Darunter mögen sich tatsächlich Einige befunden haben, die keine Modelambitionen hegten, sondern nur einmalig Bilder von sich erhalten, dafür aber keinen Profi bezahlen wollten. Von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen, handelte es sich aber durchweg um junge Mädchen/Frauen, denen es einfach Spass macht, in ihrer Freizeit mit Fotografen zusammen zu arbeiten. Dies machen sie dann auch mehr oder weniger regelmässig. Und schon daraus ergibt sich, dass den Profis an diesen Personen aber auch nicht ein Geschäft entgeht. Denn die regelmässige Zusammenarbeit mit einem Berufsfotografen kann sich niemand leisten, der noch zur Schule geht oder in einer Berufsausbildung steckt.
Und ganz offensichtlich ist es ja auch so, dass viele Menschen die Qualität eines Hobbyknipsers für ausreichend erachten. Oder anders ausgedrückt: Sie sehen bei einem Profi nicht die Vorteile, die ihnen eine Bezahlung wert wäre. Und das ist dann mglw. auch der Ansatz, über den Berufsfotografen einmal nachdenken sollten, bevor sie wieder pauschal auf die Amateure draufhauen: Was kann/muss ein Berufsfotograf seinen Kunden bieten, was sie bei einem TfP-Knipser nicht auch bekommen?
Ist das überhaupt ein spezifisches Problem des Fotografiehandwerks? Wie sieht es z.B. in der Automobilbranche aus? Fast jeder Autofahrer kennt im Bekanntenkreis jemanden, der eine kleinere Reparatur für einen schmalen Taler durchführt, es werden freie Werkstätten aufgesucht und nur wenn's gar nicht anders geht, werden die horrenden Kosten der Vertragswerkstatt zähneknirschend hingenommen. Trotzdem können diese sich nicht über zu wenig Aufträge beklagen.
Ich bin im Hauptberuf als Softwareentwickler tätig und hier hauptsächlich im Bereich der Entwicklung von webbasierten Systemen. Würde mich privat jemand mit der Erstellung einer Website beauftragen, dann würde ich ihm einen Preis nennen, bei dem ihm wahrscheinlich die Ohren klingeln würden. Schließlich hat sich sein 13 jähriger Nachbarsjunge das Programmieren selbst beigebracht und macht ihm das für ein Eis. Bis sich dann der erste Hacker auf der neu erstellten Seite einfindet und der Nachbarsjunge feststellt, dass Grundkenntnisse in HTML wohl doch nicht ausreichen, um eine Seite sicher zu betreiben.
Ein Berufsfotograf muss sich also die Frage gefallen lassen, was er denn besser kann als der Hobbyknipser? Das er ein Ladengeschäft bezahlen und Gehalt eines Angestellten aufbringen muss, dass er Steuern, Krankenkassen- und Rentenbeiträge zahlt, interessiert einen Kunden herzlich wenig, dieser will nur wissen, was er für sein Geld bekommt. Und wenn das für ihn nicht erkennbar mehr ist, als beim Amateur, dann wird er keinen Auftrag vergeben.
Und welchen Fragen müssen wir Amateure uns stellen? Auch wir agieren z.T. eher fragwürdig! Da gibt es Leute, die gegen Bezahlung mit einem (semi-)professionellen Model arbeiten und diesem zusätzlich zur Gage auch noch die Bilder des Shootings zur freien Verwendung überlassen. Es gibt Hobbyfotografen, die sich auch noch geschmeichelt fühlen, wenn sie gebeten werden, eine Hochzeit kostenfrei als TfP zu fotografieren. Es werden dann auch schonmal eindeutig kommerzielle Shootings durchgeführt und das mit einem TfP-Model.
Es gibt also auf beiden Seiten diverse Dinge, die verbessert werden können, ja müssen. Auf jeden Fall sollte man sich zuvor überlegen, ob man selbst alles richtig macht, bevor man pauschal auf andere losgeht.


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